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Samstag, 4. Oktober 2014

Tom Rachman: Aufstieg und Fall großer Mächte

Auch wenn der Titel an den klassischen historischen Wälzer "The history of the decline and fall of the Roman Empire" von Gibbons erinnert, den unzählige britische Reiseschriftsteller in ihren Rucksäcken durch die Weltgeschichte schleppten, sind die Mächte in diesem Buches privater Natur und der Autor verbirgt sie in einer Zauberkiste von einem Roman.
Die erste Lade der Zauberkiste zeigt die junge Buchhändlerin Tooly Zylberberg, die ein Antiquariat in einer verregneten walisischen Ortschaft betreibt. Die Erfolglosigkeit ihres Geschäftes scheint sie nicht weiter zu stören, denn es ermöglicht ihr das Lesen im Hinterzimmer. Da wäre dann noch Fogg, das schwadronierende Faktotum der Buchhandlung, mit Vorliebe für Cappuccino und für die Kellnerin in seinem Stammcafé.
Kaum hat man sich in der Lade zurecht gefunden und gemütlich gemacht, öffnet der Autor eine neue, reist in Toolys Vergangenheit und zum Rätsel ihres Lebens. Lade für Lade wird aufgezogen und vor den Augen der Leser wieder geschlossen. Rachman schwingt seinen Zauberstab, enthüllt doppelte Böden, weiße Kaninchen in Form von schachspielenden Eigenbrötlern, Tauben, die entfleuchen und sich doch wieder in der Kiste einfinden. Tooly Zylberberg stolpert durch ihr Leben auf der Suche nach demselben.
Im Verlauf der Erzählung verzerren sich die Figuren wie in gebogenen Spiegeln und auch Tooly muss ihr Selbstbild überdenken. Was sich nach Taschenspielertricks anhört, ist oft herzzerreißend geschrieben und perfekt inszeniert. Wie ein großer Magier lässt der Autor den Leser staunend zurück und man fragt sich, wie ihm dieses Kunststück gelungen ist.

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