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Samstag, 10. Januar 2015

Lutz Seiler: Kruso

Ein Trakl lesender und vortragender Freitag namens Eduard Bendl trifft seinen Robinson auf Hiddensee. Es ist fast unmöglich diesen Roman von Lutz Seiler in eine knappe Inhaltsbeschreibung zu verpacken, so dicht ist das Muster gestrickt, in sehr deutschen Maschen, denn schließlich spielt es an der Ostsee kurz vor dem Zusammenbruch der DDR.
Der Student Eduard steigt aufgrund eines Schicksalsschlags aus seinem Leben aus und landet  als Tellerwäscher in dem Lokal Klausner auf Hiddensee. Obwohl nicht in der Ich-Form erzählt, haben wir als Leser nur die Eindrücke von Eduard zur Verfügung, dessen Wahrnehmungen noch dazu von einem großen Verlust geprägt sind und daher oft hilflos verloren erscheinen. So tasten wir uns langsam an die außergewöhnliche Belegschaft des Klausner heran; das Ausflugslokal selbst wird manchmal mit einem Boot verglichen. Im Laufe der Erzählung möchte man fast meinen Eduard habe auf der "Pequod" angeheuert um den weißen Wal zu jagen.
Schon habe ich mich verzettelt, denn eigentlich sollte doch von der Freundschaft von Ed(uard) und Kruso(witsch) die Rede sein. Doch wo beginnen? Beim präzisen Ritus des Abwaschens, den Schiffbrüchigen, den wilden Partys der Saisonkräfte, die einen fast religiösen Ablauf und Hintergrund haben? Wie passt die Robinsonade hinein?
Im Laufe dieses magischen Sommers wird sich für Eduard das rätselhafte Umfeld von Hiddensee entwirren und für ihn und für alle anderen eine jähe Wendung nehmen.
Hinter der ans Fantastische grenzenden Inselwelt taucht manchmal die Fratze der DDR-Bürokratie und  -Überwachung hervor, meistens nicht wirklich erschreckend sondern fade: Grenzposten und Drohungen, die ihre Bedeutung verlieren.
Kruso ist ein Buch zum Wiederlesen und wahrscheinlich wird man beim nächsten Lesen eine gänzlich andere Handlung entdecken. 

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