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Samstag, 23. August 2014

Vladimir Nabokov: Erinnerung, sprich

Zugegeben, dieses Buch ist nicht der einfachste Einstieg in das Werk von Vladimir Nabokov. (Also schnell "Pnin" oder "Die Gabe" besorgen!) Auch will man in vielen Fällen gar nicht zuviel vom Privatleben seiner Lieblingsautoren wissen.
Nabokov verschont uns aber mit der Aufzählung seiner seelischen und körperlichen Leiden oder langweiligen Schilderungen des Alltags, sondern breitet einen Zauberteppich für seine Leser aus und hält ihn mit prägnanten Beschreibungen gefangen. Aus Erinnerungsfetzen und verloren geglaubten Gefühlen baut er ein mosaikartiges Bild seiner Kindheit und Jugend in Russland und der Zeit der Emigration in Deutschland und Frankreich nach der russischen Revolution.
Wer das berühmte Kapitel 6 über das Sammeln von Schmetterlingen gelesen hat, wird wohl nie wieder achtlos an einem Schmetterling oder Falter vorbeigehen. Heutzutage sammelt man natürlich keine Schmetterlinge mehr, genauso wenig wie man Großwild schießt (ein paar seltsame Leute ausgenommen). Nabokov war sowohl besessen von Schmetterlingen als auch ein Synästhetiker, der in Buchstaben und Worten Farben hören konnte - ähnlich wie meine Mutter, die findet, dass Rosemarie und Monika die gleiche Farbe haben. Beide Namen sind für sie rosa. Für Nabokov hat das lange a des englischen Alphabets die Farbe verwitterten Holzes und das k ist heidelbeerfarben.
So liest man dieses Buch auch mit allen Sinnen und spürt die Kälte auf den Pferdeschlitten im Winter und riecht die Blumen und Futterpflanzen der Schmetterlinge auf seinen Streifzügen im Sommer.
Nabokov ist kein Autor mit dem man sich zu einem Kaffee verabreden möchte, aber einer in dessen (untergegangenen) Welt man gerne lesend lebt.

PS: Das gelesene Exemplar ist Band XXII aus den gesammelten Werken Nabokovs, das ich in der kleinen und berühmten Buchhandlung Felix Jud in Hamburg erstand, deren Buchbestand mehr den Geschmack des Besitzers widerspiegelt als den der Bestsellerlisten und Literaturbeilagen der Zeitungen.

1 Kommentar:

  1. Endlich jemand, der lesen UND schreiben kann. Dieser Blog ist ein Vegnügen.

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