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Samstag, 13. September 2014

Colm Toibin: Brooklyn

Colm Toibin ist der Meister der leisen Töne!
Ich kenne wenige Autoren, die selbst den alltäglichen Vorgang des Ankleidens so beschreiben können, dass daraus ein wirkungsvolles Stimmungsbild entsteht. (Nabokov und Doderer ausgenommen)
Es sind diese leisen Töne, die die Geschichte der Eilis Lacey skizzieren. Eilis ist eine junge Irin, die in den ökonomisch schwierigen Zeiten nach dem zweiten Weltkrieg in die Vereinigten Staaten auswandert. Toibin beschreibt die einfachen Menschen des kleinen Dorfes in Irland und die gesellschaftlichen Zwänge, denen sie ausgesetzt sind. Man begleitet Eilis auf der Überfahrt, in die erste Einsamkeit der Emigration und leidet und freut sich mit ihr (hauptsächlich über Kleinigkeiten). Der Leser stolpert mit ihr durch Brooklyn lernt ihre Nachbarn und Kollegen kennen und die enge irische Gemeinschaft, die doch nicht so zwanghaft ist wie die ihres Heimatdorfes. 
Obwohl der Autor sehr detailreich beschreibt, liegt ein milchiger Schimmer über den meisten Szenen, der die oftmalige Verwirrtheit der jungen Frau widerspiegelt. Es gibt keine lauten Dramen oder jähe Wendungen. Es herrscht vielmehr eine Melancholie und Schicksalsergebenheit in diesem Roman vor, der gegen Ende hin ein vollständiges Bild entworfen haben wird und seine Heldin zu einer Entscheidung zwingt.

PS: Das mag nach Frauen-Literatur klingen, aber gibt es so etwas? Gibt es Malerei für Frauen?
PPS: Toibins Roman über Henry James ist auch eine unbedingte Leseempfehlung.

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