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Sonntag, 8. März 2015

Lydia Tschukowskaja: Untertauchen

Untertauchen ist ein vergleichsweise schmales Buch über den Kuraufenthalt einer Schriftstellerin in Litwinowka nahe Moskau im Februar des Jahres 1949. Schon die Aufnahme der Birken auf dem schön gestalteten Einband (wie eigentlich alle Bücher des Dörlemann Verlages liebevoll ausgestattet und ausgewählt sind) verweisen auf klassische Vorstellungen von der russischen Literatur: Birken, Puschkingedichte, Tolstoi und dessen Landgut...Doch hinter all dem lauert der Schrecken des stalinistischen Terrors. 
Die Kurgäste sind Schriftsteller, Journalisten oder Redakteure und zugleich Opfer und Kollaborateure des Regimes. Der Roman funktioniert wie eine Matrjoschka. In der äußeren Puppe finden sich die Kurgäste, das Personal und die verschneite Landschaft, weiter innen die Leidensgeschichte der Erzählerin, die ihren Mann in den Verhaftungswellen Stalins verlor. Der Staatsterror zieht auch weiterhin seine schrecklichen Fäden und so sind fast alle Personen direkt oder indirekt von ihm betroffen. 
Liebevoll ist die Autorin in der Schilderung ihrer Figuren und zugleich zornig. Im Unterschied zu zu den Gulag-Schilderungen von Schalamow oder Solschenizyn erzählt Tschukowskaja aus der Sicht der Frau. Da ist das Warten auf Nachricht vom Verhafteten, die Bittgänge zur Behörde, die Gerüchte und die Unsicherheit, ob man nicht die nächste sein könnte.
Nebenbei (eine andere Schichte der Matrjoschka) ist der Roman auch ein Exkurs über das Schreiben und eine Brandrede gegen die Zensur. 
Am Ende hat man das Gefühl gleich mehrere Romane gelesen zu haben und doch hat man nie den roten Faden verloren.