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Montag, 11. Mai 2015

Maja Haderlap: Der Engel des Vergessens

Der Engel des Vergessens ist ein schreckliches Buch in wunderschöner Sprache. Die Kärntner Slowenin Haderlap beschreibt darin die Kindheit und Jugend des Mädchens Kokice auf einem kleinen Nebenerwerbsbauernhof. Es ist keine zeitlich streng strukturierte Biographie, sondern gefühlte Erinnerungsfragmente, die wie kleine Mosaiksteinchen zu einem Ganzen zusammenwachsen und den Leser in die Welt des österreichisch-slowenischen Grenzgebietes der 1960-er und 70-er Jahre versetzen.
Die Nazidiktatur und die Partisanenkämpfe sind noch stark in den Köpfen der Familienmitglieder, Verwandten und Nachbarn präsent und auch in der Landschaft sind - zumindest in den Augen der Protagonisten - die Spuren der Massaker sichtbar.
Wie eine Magierin beschwört die Großmutter den Hof und die Umgebung, besucht alte Höfe (und mit ihnen deren Geschichte) und betreibt die alten bäuerlichen Riten. Die Großmutter ist sicher die stärkste Figur dieses Romans. Doch ihre Zeit entschwindet und mit dem Aufbruch in die Moderne kommen die Wunden, die der Krieg geschlagen hat, fast noch stärker zum Vorschein.
Das offizielle Österreich beginnt sich der Opfer zu erinnern, aber im Kärnten der 1970-er ist dafür kein Platz. Noch sitzen in den Gasthäusern Täter und Opfer nebeneinander, noch sind die Slowenen in den Augen der Kärntner Mehrheit Vaterlandsverräter.
Es ist ein großes Unterfangen Erinnerung, Politik und eine ergreifende Familiengeschichte zu einem Buch zu verknüpfen. Maja Haderlap tut das gekonnt mit sensiblen Federstrichen. 
Wer als Empfehlung Buchpreise benötigt: Sie hat für einen Auszug aus diesem Buch den Ingeborg Bachmann Preis erhalten und hätte sich auch jeden anderen Buchpreis verdient!

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